Lerne Peter kennen

Peter wollte nicht, dass sein Gesicht auf Fotos zu sehen ist, um seine Identität zu schützen. Isernia, Italien. 5 September 2019. ©Pamela Kerpius

Peter wollte nicht, dass sein Gesicht auf Fotos zu sehen ist, um seine Identität zu schützen. Isernia, Italien. 5 September 2019. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean

 

Von:
Pamela Kerpius

Aufgenommen am:
5. September 2019

Veröffentlicht am:
September 2019

Übersetzung von:
Franziska Wolf, Ph.D.



Lerne Peter kennen.

Sein Name wurde geändert, um seine Identität zu schützen.

Sein Alter ist unbekannt. Er ist aus Sierra Leone.

Um nach Italien zu kommen, durchquerte er sieben Länder: Sierra Leone, Liberia, die Elfenbeinküste, Mali, Burkina Faso, den Niger und das gefährliche von allen: Libyen.

Seine Flucht dauerte zwei Jahre und acht Monate.

Er erreichte den Niger und blieb insgesamt vier Monate, davon mehr als ein Monat in Agadez - jener Stadt, von der aus die meisten Menschen in Richtung Wüste aufbrechen. Die Grenzkontrollen in der Stadt waren „sehr streng”, erzählte Peter, doch er hatte zum damaligen Zeitpunkt noch einen Ausweis bei sich, den er vorzeigte um zu signalisieren, dass er nur vorübergehend im Niger lebte und arbeitete. Er arbeitete auf nahe gelegenen Baustellen, bevor er sich in die Wüste begab.

Du kommst hier bloß her, um getötet zu werden.


Peter durchquerte die Sahara auf der Ladefläche eines Pickups zusammen mit 30 anderen – alle Passagiere waren Männer und alle überlebten. Sie hielten sich an Stäben fest, die am Boden des Fahrzeugs befestigt waren, um festen Halt zu haben. Ein Mann aus Guinea, der auf der Fahrt dabei war, saß auf einem undichten Benzinkanister. Die austretenden Gase verbrannten seine Haut bis sie sich schälte und er nicht länger sitzen konnte.

Er sah, wie andere Fahrzeuge in der Wüste in Unfälle verwickelt waren und er sah umgestürzte Autos, die Tote hinter sich zurück ließen. Sie tranken schmutziges, salziges Wasser aus verschiedenen Quellen, das ihnen Durchfall verursachte.

„Du siehst nur die Sonne. Du kommst hier bloß her, um getötet zu werden,” sagte Peter auf die Frage hin, wie es in der Sahara war. Die Wüstendurchquerung dauerte insgesamt zwei Wochen.

Er kam in einem kleinen Dorf in Libyen an, in dem er für zwei bis drei Monate blieb und in einer provisorischen Behausung zusammen mit 50 bis 70 anderen lebte. Sie aßen Reis und tranken Wasser, das nicht zum Verzehr geeignet war. Er verließ das Gelände nur selten, aus Angst, erschossen zu werden. Er steckte seinen Kopf hinaus, doch hielt es für zu gefährlich, um rauszugehen. Libyer standen herum, mit ihren Waffen im Anschlag.

„Sie töten dich nicht,” sagte Peter.

Stattdessen schossen sie Menschen in den Fuß oder auf andere Körperteile, um sie zu verletzen.

Er kam nach Sabha und blieb zwei bis drei Wochen in der Stadt, zusammen mit „mehr als dreißig, vierzig, fünfzig Personen” – Peter hatte aufgehört zu zählen. Unter ihnen waren auch Frauen, darunter Schwangere, sowie Kinder. „Kleine Jungs” raubten dort regelmäßig ihr Geld und ihre Handys.

Als nächstes wurde er nach Bani Waled gebracht, wo er für sechs Monate in einem Lager blieb und auf neue Schwierigkeiten in der finanziellen Verhandlung mit seinen Schleppern stieß. Ein neuer Schlepper trat an die Stelle desjenigen, mit dem er einen Deal geschlossen hatte. Das bedeutete, dass ihm eine erneute Gebühr auferlegt wurde, die er jedoch nicht zahlen konnte. Deshalb blieb er länger als erwartet in dem Lager und nutzte die Zeit, um in der Gegend als Reinigungskraft und Händler zu arbeiten, um so Geld für seine anstehende Fahrt nach Tripolis zu verdienen.

In Tripolis wohnte er in einem kleinen Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft, in der er in Sicherheit war. Im Gegensatz zu vielen anderen wurde er nicht entführt. Einige, die mit ihm in der Unterkunft wohnten, gingen morgens zur Arbeit und kamen nie wieder zurück. Er lebte mehr als ein Jahr in Tripolis.


Seine letzte Weiterfahrt brachte ihn ins Küstenlager Sabratha. Er lebte im Freien – er hatte kein Dach über dem Kopf und auch keinen Ort, um sich geschützt vor den Blicken anderer zu waschen. Dort blieb er zwei Monate, bevor er eines Nachts von Schleppern zur Küste gerufen wurde.

Peter überquerte das Mittelmeer um 11:00 Uhr abends am 1. Oktober 2016 in einem Schlauchboot zusammen mit 148 anderen, darunter einige acht bis zehn Jahre alte Jungs. Alle an Bord waren männlich. Gegen 7:00 oder 8:00 Uhr am darauffolgenden Morgen erreichten sie internationale Gewässer. Er erinnert sich, wie ihn die Sonne und das blaue Wasser von allen Seiten umgaben.

Er wurde am 2. Oktober 2016 gerettet, verbrachte zwei Tage auf einem Schiff und erreichte Crotone, Italien zwischen dem 6. und 8. Oktober 2016. Am 12. Oktober wurde er nach Isernia, Italien in eine Flüchtlingsunterkunft gebracht.

Peter ist ein erstaunlicher Mensch.

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